FBB-Debakel: Rechnungshof empfiehlt erneute Prüfung von Regressansprüchen

Obwohl bereits eine Entlastung durch die Gesellschafter des immer noch im Bau befindlichen Flughafens Berlin/Brandenburg (FBB) gegenüber den Aufsichtsräten damals im Oktober 2013 für die Geschäftsjahre 2011 und 2012 erfolgte, empfiehlt der brandenburgische Landesrechnungshof die erneute Prüfung von Regressansprüchen. Im Aufsichtsrat des FBB saßen seinerzeit unter anderen der damalige Berliner Regierungschef Klaus Wowereit und der damalige brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (beide SPD).

Die GmbH kann Ansprüche gegen ihre Organmitglieder, die im Entlastungszeitraum entstanden sind und deren Existenz bei sorgfältiger Prüfung erkennbar war oder auf Grund privater Kenntnis aller Gesellschafter bekannt war, grundsätzlich nicht mehr geltend machen (BGH NJW 1986, 129). Die Erteilung der Entlastung ist allerdings rechtswidrig und damit anfechtbar, wenn das Organmitglied schuldhaft schwere Pflichtverletzungen, insbesondere schwerwiegende Satzungs- oder Gesetzesverstöße, begangen hat.

Der Landesrechnungshof stellt fest:
„Insgesamt stellte das Haftungsprüfungsverfahren [der damals beauftragten Rechtsanwaltskanzlei] in Konzeption, Durchführung und Ergebnis keine geeignete Grundlage für eine umfassende und objektive Beurteilung von Pflichtverletzungen der FBB-Organmitglieder dar. Zu zahlreich und bedeutend waren die formalen, aber auch inhaltlichen Mängel.“
Die Versäumnisse des Aufsichtsgremiums beim BER seien vielfältig und umfangreich. Dabei sei gerade beim BER mit seinen Problemen eine „verschärfte Sorgfaltspflicht“ zwingend erforderlich gewesen, so der Hof.
Stattdessen tagte das Gremium so wenig wie möglich – nur vier Mal im Jahr, das gesetzliche Minimum. Stattdessen kümmerte es sich im Grunde nicht um die Überwachung, um das Interne Kontrollsystem (IKS) und Risikomonitoring System (RMS), also um alles, wo Probleme hätten erkannt werden können.
„Es gibt deutliche Hinweise, dass der Aufsichtsrat, insbesondere dessen Finanz- und Prüfungsausschuss, seine gesetzliche Pflicht zur Überwachung der Wirksamkeit des IKS/RMS im Betrachtungszeitraum Juni 2010 bis Februar 2013 nicht mit der gebotenen Sorgfalt erfüllt hat.“ Und: „Das über Jahre hinweg problembehaftete IKS/RMS der FBB dürfte eine wesentliche Rolle für die Terminverschiebungen und Kostensteigerungen beim Bauvorhaben BER gewesen sein. Die diesbezügliche Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrates (…) war nicht angemessen.“
„Nachfragen aus dem Aufsichtsrat waren unter dem Tagesordnungspunkt Risikomanagement nur selten protokolliert.“ Stattdessen habe sich der Aufsichtsrat „auf die einfache Entgegennahme von Berichten der Geschäftsführung beschränkt“. Oder: „Das mangelnde Problembewusstsein des Aufsichtsrates zeigte sich auch darin, dass dieser ausweislich der Sitzungsprotokolle auf Nachfragen und intensive Erörterungen mit den Abschlussprüfern verzichtete, obwohl aus deren Prüfberichten für 2010 und 2011 erhebliche Mängel im Risikomanagement der FBB erkennbar waren.“

Die Ergebnisse des Gutachtens sind bereits auch auf das Interesse der Staatsanwaltschaft Cottbus gestoßen. „Wir werden prüfen, ob es Anhaltspunkte für eine Straftat gibt“, sagte Oberstaatsanwalt Horst Nothbaum. Dabei könne es um beteiligte Firmen, die Flughafengesellschaft, aber auch Aufsichtsratsmitglieder gehen.
(https://www.rbb-online.de/politik/Flughafen-BER/BER-Aktuelles/akteure_aktuell/2016/02/rechnungshof-pruefbericht-ber-geheim-oeffentlich.html)

Anmerkungen FINLEX:
Auch bei diesem Haftungsfall zeigt sich das bei öffentlichen Unternehmen immanente Spannungsverhältnis zwischen politischen Interessen und gesellschaftsrechtlicher Verantwortung. Für „politische“ Mandatsträger bzw. Organmitglieder gelten dieselben Haftungs- und Enthaftungsnormen wie in der Privatwirtschaft. Zwar gibt es zu deren Schutz auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene oft auch Freistellungsansprüche gegen die entsendende Organisation, die greifen aber in der Regel nur bei fahrlässigem Handeln, z.B. § 48 BeamtenStG und nur dann, wenn die Haftung auch feststeht. Zu aller erst sollte sich die in Anspruch genommene Person jedoch adäquat gegenüber den geltend gemachten Ansprüchen verteidigen können. Dies gewährleistet für strafrechtliche Ermittlungen die Strafrechtsschutz-Versicherung und für zivilrechtliche Ansprüche die D&O-Versicherung, die zudem bei grob fahrlässig verursachten Schäden diese ausgleicht.