Weshalb ein stabiler D&O-Markt unwahrscheinlich ist
In den letzten Jahren wurde die deutsche Wirtschaft durch die Covid-19 Pandemie, geopolitische Krisen sowie hohe Inflation geprägt. Sowohl wirtschaftliche als auch gesellschaftliche Probleme haben sich verschärft. Einzelne Wirtschaftszweige haben durch die veränderten Rahmenbedingungen ihre Umsätze und Profitabilität erhöht, während andere Branchen mit steigenden Kosten zu kämpfen haben und verstärkt von Insolvenzen bedroht sind. Für viele Vorstände und Manager besteht nun seit vier Jahren eine scheinbar unüberwindbare Dauerkrise.
Gleichzeitig ist die persönliche Haftung für Manager durch neue, komplexe Regulatorik zunehmend verschärft worden (bspw. LkSG, DSGVO, CSRD, NIS-2). Der deutsche Gesamtverband der Versicherer (GDV) erwartet unter anderem durch die wachsenden Compliance-Anforderungen in der Zukunft eine vermehrte Inanspruchnahme der Manager, sowie steigende Schadenkosten pro Einzelschaden. (Managerhaftpflicht: D&O-Versicherer rechnen mit steigenden Schäden (gdv.de)). Die Sorgen vor finanziellen Schwierigkeiten durch langwierige Gerichtsverfahren, auf Grund eines Fehlers im hektischen Alltag, sind deshalb real im täglichen Leben der Leitungsorgane und berechtigt. Die D&O-Versicherung bietet den Führungskräften Schutz in diesem komplexen Umfeld aus Regulatorik, Compliance und Krisen. Entsprechend resultieren diese Fehler, wenn sie eintreten, im deutschen Markt in einer (nominal relativ) stetigen und steigenden Schadenbelastung.
Basierend auf dieser Ausgangslage müsste man eigentlich davon ausgehen, dass die Prämien für eine D&O Versicherung in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen sind. Doch nahezu alle mit der Materie befassten Underwriter, Makler, Kunden und Fachjournalisten berichten: das war keineswegs der Fall. Vielmehr gab es eine radikale Verhärtung des Marktes, welche schon vor Covid-19 eingesetzt hat, nun gefolgt von einer Abwärtsbewegung, welche die äußeren Umstände im Sinne der Risikomerkmale stark konterkariert. Und all das, obwohl sich an den Fachforen alle Seiten mehr Stabilität, Kontinuität und Vernunft wünschen. Wie passt das zusammen?
Eine Besonderheit der D&O-Versicherung ist die lange Dauer der Schadenabwicklung, weshalb es auch als „Long-Tail“ Business bezeichnet wird. Im Gegensatz zu den sogenannten „Short-Tail“ Sparten gibt es eine mehrjährige Verzögerung zwischen den Prämieneinnahmen und den Schadenauszahlungen. Darüber hinaus können Schäden erst Jahre später gemeldet werden und die Bücher der Versicherer belasten, obwohl der Vertrag schon längst nicht mehr besteht oder zwischenzeitlich zu ganz anderen Bedingungen gezeichnet wird. Eine Kalkulation der Profitabilität einzelner Verträge oder ganzer Portfolien in Echtzeit ist deshalb nur annäherungsweise und mittels Schätzungen möglich und selbst dazu bedarf es oft einer gewissen Verzögerung, damit die Aktuare eine initiale Schadenbelastung hochrechnen können.
Die Marktstimmung hinsichtlich Prämien, Bedingungen und Wachstumszielen verändert sich aber deutlich schneller als die tatsächliche Profitabilität abgeschätzt werden kann. Dies führt dazu, dass die Versicherer eine unzureichende Profitabilität oft erst spät erkennen und dann eine entsprechend starke Gegenreaktion einleiten. Die Gegenreaktion wiederum schlägt sich erst mit Verzögerung in den Resultaten nieder, was eine Überreaktion begünstigt. Diese Divergenz aus kurzfristigen Maßnahmen und langfristigen Auswirkungen lässt eine Art „Black-Box“ entstehen, die eine verzögerte, erneute Anpassung in der Zukunft wahrscheinlich macht.
Zusätzlich treten in Phasen mit schwierigen Marktbedingungen oft neue Versicherer in den Markt ein. Diese starten in einem Umfeld von auskömmlichen Prämien und haben naturgemäß keine eigenen historischen Schadendaten zu ihrem Portfolio bzw. zu ihrer Zeichnungspolitik. Dies erschwert die Einschätzung der langfristigen Profitabilität für diese Versicherer zusätzlich.
Der Neueintritt dieser Versicherer ist wichtig, um im harten Markt ausreichend Kapazität sicher- oder wiederherzustellen. Oft geschieht dies mit einer gewissen Verzögerung, sodass während einigen Monaten eine Knappheit an Kapazität herrscht, in deren Folge ein Preisanstieg zu beobachten ist. Sobald aber die Prämien wieder auskömmlich sind und sich dies auch in den Büchern der bestehenden Versicherer niederschlägt, erhöhen auch die bestehenden Versicherer ihre Kapazitäten wieder und schaffen so zusammen mit den neuen Versicherern eine Überkapazität, welche das Prämienniveau entsprechend beeinflussen könnte. Denn alle Versicherer schauen zwischenzeitlich auf eine Handvoll erfolgreicher Monate/Jahre und erhöhen entsprechend ihre Wachstumsziele für die Sparte, ohne, dass das Marktwachstum zunimmt. Es entsteht deshalb ein Wettkampf um Marktanteile, welcher den Prämienwettkampf befeuert, die Preise unter Druck setzt und in einer späteren, erneuten Anpassung münden kann. Der Kreislauf wiederholt sich.
Wie könnte diese Spirale aber durchbrochen werden? Das D&O Geschäft ist eine Long-Tail Sparte und sollte daher von allen Marktteilnehmern auch als solche behandelt werden. Die tatsächliche Profitabilität zeigt sich erst nach rund 5 – 10 Jahren und erst durch entsprechend langfristigen Denkens und Handeln entsteht Stabilität. Der D&O-Markt mit allen Stakeholdern würde von einer solch langfristigen Perspektive profitieren und insbesondere den versicherten Personen, aber auch allen anderen Involvierten den so oft wiederholten Wunsch nach mehr Kontinuität ermöglichen.
Blogbeitrag sponsored by Zurich Insurance
Autoren: Felix Weinert, Toni Grolimund, Zurich
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