Bußgeldregress gegen Manager – neueste Entwicklungen in der Rechtsprechung und Versicherbarkeit von Bußgeldern in der D&O

Entgegen der bisher in der Rechtsprechung sowie in Teilen der Literatur vertretenen Auffassung, hat das LG Dortmund (https://openjur.de/u/2471461.html) in seinem Beschluss vom 21.06.2023 – Az. 8 O 5/22 entschieden, dass ein Regressanspruch einer Gesellschaft gegenüber ihrem Geschäftsführer auf Ersatz von Schadenspositionen anzuerkennen ist, die der Gesellschaft dadurch entstanden sind, dass der Geschäftsführer an einem der Gesellschaft zurechenbaren Kartellrechtsverstoß mitgewirkt hat und die Gesellschaft daraufhin mit Bußgeldern belegt und mit Schadenersatzforderungen konfrontiert wurde.

Der Beschluss könnte erhebliche Auswirkungen auf die bisherige Rechtspraxis und die D&O-Versicherung haben.

Bisherige Rechtsprechung

Es dürfte sowohl D&O-Versicherer als auch Manager gleichermaßen erleichtert haben, als das LG Saarbrücken in seinen zwei Urteilen zum Sanitär-Kartell im Jahr 2020 die Gelegenheit ergriff und in einem obiter dictum die Haftung von Vorständen und Geschäftsführern für von der EU-Kommission gegen ein Unternehmen verhängte Kartellbußen verneinte. Begründet hatte das LG Saarbrücken seine Urteile einst mit dem vom EuGH entwickelten Effizienzgebot, nach dem die von der europäischen Wettbewerbsbehörde bezweckte abschreckende Wirkung von Unternehmensbußen nicht durch das deutsche Recht geschwächt werden dürfe. Könnte das Unternehmen, das nach der unionsrechtlichen Regelung bebußt wurde, Bußgelder auf Manager und damit letztendlich auf D&O-Versicherer abwälzen, widerspräche dies dem EU-Recht. Im Ergebnis erklärte das LG Saarbrücken damit Bußgelder für nicht regressierbar.

Beschluss des LG Dortmund

Diesem obiter dictum widersprach nunmehr das LG Dortmund und stützte sich dabei auf allgemeine haftungsrechtliche Grundsätze: So wie Dritte etwa im Rahmen der Verletzung vertraglicher Beratungspflichten gegenüber der Gesellschaft haften müssten, müsse dies auch der Geschäftsführer, wenn er seine organschaftliche Pflicht zur Unterlassung bzw. Verhinderung von Rechtsverstößen verletzt. Und da die Sanktionierung der Pflichtverletzung durch die Gesellschaft erst nach Verhängung der Geldbuße gegenüber dem Unternehmen möglich wäre, sei der Bußgeldregress auch die einzig mögliche Sanktionsmaßnahme gegen das Unternehmensorgan.

Die bislang gegen den Bußgeldregress vorgebrachten Argumente lehnte das LG Dortmund durchweg ab: Weder erachtete es die primäre Zahlungspflicht des bebußten Unternehmens als in Frage gestellt noch, dass es regelmäßig zu einer vollständigen Entlastung des Unternehmens aufgrund des Regresses kommen könnte. Das Unternehmen habe nämlich in Vorleistung zu gehen und sei dadurch dem Insolvenzrisiko seines Organs ausgesetzt. Damit bleibe die Abschreckungs- bzw. Präventionsfunktion des Bußgeldes weiterhin gewahrt.

Auch die Gefahr einer Abwälzung der Bußgelder auf den D&O-Versicherer schätzt das LG Dortmund als nicht schädlich ein. Denn bereits aufgrund ihrer Höhe würden Bußen nicht in vollem Umfang vom Geschäftsführer zurückerlangt werden können, da die Deckungssummen von D&O-Versicherungen regelmäßig überschritten sein dürften, sofern diese überhaupt in solchen Fällen zum Tragen kämen – man denke hier an den Vorsatzausschluss.

Bußgeldregress als zwingende Sanktionsmaßnahme gegen Manager?

Mit seinem Beschluss stellt sich das LG Dortmund deutlich gegen die bislang herrschende Auffassung in der Rechtsprechung und erachtet die Anerkennung des Bußgeldregresses gegen Unternehmensorgane als zwingende Sanktionsmaßnahme.

Damit dürfte die vom LG Dortmund vertretene Auffassung auch mit neuen gesetzlichen Grundsätzen einher gehen. So sieht das NIS-2-Umsetzungs- und Cybersicherheitsstärkungsgesetz – neben einer umfassenden Erweiterung von Cyber-Sicherheitspflichten – auch eine direkte Haftung von Leitungsorganen vor. Explizit wird darin geregelt, dass Geschäftsleiter für Verletzungen ihrer entsprechenden Pflichten der Gesellschaft gegenüber haften (§ 38 Abs. 2 BSIG V.2). Das entspricht zwar im Wesentlichen bereits geltendem Recht. Neu ist allerdings, dass laut Gesetzesbegründung auch Bußgeldforderungen vom Schadenbegriff umfasst sein sollen. Diese eindeutige gesetzgeberische Wertung stützt jedenfalls die Feststellungen des LG Dortmund und ebnet den Befürwortern einer Regresshaftung von Leitungsorganen für Unternehmensbußgelder den Weg.

Die neue Entwicklung in der Rechtsprechung und Gesetzgebung im Hinblick auf die Sanktionierung von Unternehmensorgangen durch den Regress von Bußgeldern dürfte Manager und D&O-Versicherer gleichermaßen beunruhigen. Offensichtlich dürfte sein, dass ein Unternehmen gerade dann regressieren wird, wenn hinter einem persönlich in Anspruch genommenen Geschäftsleiter ein zahlungskräftiger D&O-Versicherer steht. Umso wichtiger wird somit die Frage nach der Versicherbarkeit von regressierten Bußgeldern werden.

Bußgelder und D&O

Ebenso umstritten wie die Frage, ob ein Bußgeldinnenregress haftungsrechtlich überhaupt möglich ist, ist die Frage, ob die gegen Unternehmen verhängten Bußgelder, die im Innenverhältnis gegen Organe regressiert werden, in der D&O versicherbar sind. Dies ist nicht pauschal zu beantworten und es sind verschiedene Aspekte des Anwendungsbereichs der D&O zu berücksichtigen. Insbesondere ist zu differenzieren, ob Versicherungsschutz für die Anspruchsabwehr des regressierten Bußgelds gewährt werden soll oder ob der Versicherer das Organ in Höhe des geltend gemachten Bußgeldes gegenüber dem Unternehmen freistellt.

Abwehrdeckung

An der Zulässigkeit der Abwehrdeckung, die auf die Verteidigung des gegen eine versicherte Person geltend gemachten Bußgeldes abzielt, bestehen keine rechtlichen Bedenken. In der D&O gewährt der Versicherer Abwehrdeckung, indem der (unberechtigte) Schadenersatzanspruch gegenüber dem Anspruchsteller zurückgewiesen wird. Der Versicherer trägt hierbei die Kosten eines auf die Abwehr von Haftungsansprüchen spezialisierten Rechtsanwalts sowie die sonstigen Kosten des Gerichtsverfahrens für die versicherte Person. Die Abwehrkostendeckung gehört zum Kern einer jeden D&O-Police und schütz die Organe vor unberechtigten Inanspruchnahmen.

Insbesondere vor dem Hintergrund, dass – trotz des Beschlusses des LG Dortmund – weiterhin keine höchstrichterliche Rechtsprechung existiert, die den Regress von Bußgeldern im Innenverhältnis zweifelsohne bejaht, wird die Abwehr des gegen die versicherte Person geltend gemachten Anspruchs auch zukünftig im Vordergrund stehen.

Kosten für PR-Beratung und Psychologische Betreuung

Darüber hinaus werden in einigen Spezialkonzepten (z.B. den Finlex Spezialkonzepten) bedingungsgemäß weitere Kosten getragen, die versicherten Personen im Zuge einer Inanspruchnahme entstehen können.

Versicherungsschutz besteht z.B. für die Kosten der Abwehr oder Minderung eines (drohenden) Reputationsschadens einer versicherten Person wegen einer in Medienberichten (behaupteten) Pflichtverletzung. Wird das in Anspruch genommene Leistungsorgan im Zuge des Bußgeldregresses beispielsweise Ziel einer Medienkampagne, so trägt der Versicherer die Kosten einer für die versicherte Person tätig werdenden PR-Agentur.

Gleiches gilt für eine etwaig notwendige psychologische Beratung des in Anspruch genommenen Organs. Auch hier übernimmt der Versicherer unter bestimmten Voraussetzungen die Kosten für die Betreuung der versicherten Person mit dem Ziel der Stressbewältigung durch einen anerkannten Psychologen oder Psychiater.

Versicherbarkeit von Bußgeldern (Freistellung)

Differenzierter zu beurteilen ist die Frage, ob das Bußgeld an sich ebenfalls versicherbar ist. Hier sehen die Finlex Bedingungen vor, dass Versicherungsschutz besteht bei Innenverhältnisansprüchen der versicherten Unternehmen gegen versicherte Personen, die aufgrund eines gegen ein versichertes Unternehmen verhängten Bußgeldes geltend gemacht werden. Kartellbußen, DSGVO-Bußgelder, Bußgelder i.S.d. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes sowie sonstige Bußgelder, die gegen versicherte Personen im Innenverhältnis regressiert werden, sind somit grundsätzlich versichert.

Der Versicherungsschutz steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass die Freistellung bzgl. des Bußgeldes nur umfasst ist, sofern der Versicherbarkeit kein gesetzliches Versicherungsverbot entgegensteht. Ob ein solches Verbot existiert, ist rechtlich höchst umstritten. Nach wohl noch herrschender juristischer Meinung ist ein verhängtes Bußgeld in Deutschland nicht versicherbar, weil der Versicherungsschutz den gesetzlichen Präventionszweck vereiteln würde. Es wird in der versicherungsrechtlichen Literatur jedoch auch vertreten, dass hier differenzierter vorzugehen sei. Danach müsse u. a. nach der Art des Bußgeldes unterschieden werden und es käme insbesondere darauf an, welcher Verschuldensgrad (Vorsatz, grobe Fahrlässigkeit oder leichte Fahrlässigkeit) für die Verletzung einschlägig ist.

Ob das Bußgeld an sich versichert ist, lässt sich daher pauschal weder bejahen noch verneinen. Solange der Gesetzgeber hierzu keine Klarheit schafft oder höchstrichterlich über die Frage der Versicherbarkeit von Bußgeldern entschieden wird, bleibt die Ungewissheit, ob Versicherungsschutz für Bußgelder besteht.

Auswirkung des Beschlusses des LG Dortmund auf die D&O

Abzuwarten bleibt, ob der Beschluss des LG Dortmund ein erster von vielen Schritten ist, um Bußgeldregresse gegen Manager in der Rechts- und damit zwangsläufig auch in der Unternehmenspraxis zu etablieren. Dies hätte zur Folge, dass auch D&O-Policen vermehrt mit der Abwehr oder Freistellung von Bußgeldregressen belastet würden. Der noch immer schwelende Streit, ob die gegen Unternehmen verhängten Bußgelder, die im Innenverhältnis gegen Organe regressiert werden, in der D&O versicherbar sind, könnte dadurch neue Fahrt aufnehmen.

Finlex D&O Spezialkonzepte

Mit den Finlex D&O-Policen sind Sie bis dahin jedoch gut gewappnet, da in diesen Versicherungsschutz für das Bußgeld an sich vorgesehen ist, sofern dem kein gesetzliches Versicherungsverbot entgegensteht. Darüber hinaus besteht Versicherungsschutz stets im Rahmen der Abwehrkostendeckung sowie für etwaige PR-Beratungskosten und Kosten für die psychologische Betreuung der in Anspruch genommenen Manager.

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Dr. Marcel Straub

Dr. Marcel Straub

Head of Legal



Beata Drenker

Beata Drenker

Vice President Management Liability